Affektive Landschaften und „NaturKulturen“

19.-21. Mai 2022 an der Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz, Tagung »Landschaf(f)t: Bildung/Performance/Teilhabe«

Was ist Landschaft?

Wie ist Landschaft?

Was ist Bleiben?

Wann wird Landschaft politisch?

Fotos: Konferenzteam Universität Koblenz

Weitere Infos zur Tagung unter: https://www.uni-koblenz-landau.de/de/koblenz/fb1/sempaed/migration/landschaft2022

Abstract zum Panelbeitrag

Birgit Althans, Mirjam Lewandowsky, Fiona Schrading, Janna R. Wieland

Ausgehend von empirischem Material aus drei ländlichen Regionen, das wir in unserem transdiziplinär besetzten BMBF-Forschungsprojekt „Wasteland? Ländlicher Raum als Affektraum und kulturelle Bildung als Pädagogik der Verortung“, anhand dreier Kulturinstitutionen mit ethnographischen, medien-, kunst- und kulturwissenschaftlichen Ansätzen sowie künstlerischer Forschung erhoben haben, interessiert uns deren Analyse als „Affekträume“. Landschaft verstehen wir dabei weder als objektiv gegebene Umwelt, noch als Szene subjektiver Wahrnehmung, als „Stück Land“, das sich ästhetisch-territorial „dem Blick darbietet“ (Jullien 2016, S. 14), sondern als dynamisches, mehr-als-menschliches Gefüge von „NaturKulturen“ (Haraway 2016, 2018, Latour 2008, 2017), das Potentiale affektiver und gelebter Zugehörigkeiten bestimmt. Im Projekt interessieren uns die komplexen Zusammenhänge von Zugehörigkeitsgefühlen und Verlusterfahrungen in ländlichen Räumen angesichts der Veränderung vertrauter Umwelten und die daraus resultierenden Anforderungen an Institutionen kultureller Bildung. Mit Bezug auch auf die kultur- und sozialwissenschaftliche Affektforschung (Massumi 2002, Clough & Halley 2007, Gregg & Seigworth 2010, Slaby & v. Scheve 2019, Seyfert 2019) lässt sich Landschaft als sozialer, kultureller „Umraum“ für menschliche Kulturpraktiken verstehen, in dem Menschen als Teil eines affektiven „dynamischen Bezugsgeschehen[s]“, eines „gelebte[n] und erlebte[n] In-Beziehung-Stehen[s]“ (Slaby/Mühlhoff/Wüschner 2016, S. 69) eingewoben sind.

In unserem Beitrag diskutieren wir, wann und wie diese Teilhabe an Landschaften politisch wird, welche transformatorischen Prozesse Klima, Windräder, Hochwasserschutz und Flurbereinigung etc. anstoßen und schon immer angestoßen haben (Krauss 2008, Althans 2011) und wie ein „growing over“ (Ingold 2007, S.120) von Landschaft in ländlichen Regionen zu denken ist. Wie lassen sich in diesem Zusammenhang Landschaften als „NaturKulturen“ beschreiben? Welche Materialitäten und Medialitäten begegnen uns in der empirischen Forschung? Wie hat beispielsweise die Agrarindustrie Landschaften verändert und die Landwirtschaft als Mit-Former der Kulturlandschaften abgelöst? Welche Position nimmt in den „affektiven Gefügen“ der Landschaften die Kommunal-, Regional- und Landespolitik ein? Welche Bedeutung und welche Rolle haben Boden, Bäume, Wasserflächen, Wetterverhältnisse, Tiere als Mit-Akteure und welche Rolle spielt dies in der Historie der jeweiligen Region?

Literatur:

Althans, Birgit (2011): Storms Schimmelreiter – Das Töten als Initiation ins Soziale. In: Wulf, Chr.; Zirfas, J. (Hrsg.): Töten. Affekte, Akte und Artefakte. Paragrana, Internationale Zeitschrift für Historische Anthropologie. Bd. 20/2011/H.1, S. 328-347.

Clough, Patricia; Halley, Jean (2007): The Affective Turn. Theorizing the Social. Durham/London: Duke University Press.

Gregg, M.; Seigworth, G. (Hrsg.) (2010):The Affect Theory Reader.Durham/London: Duke University Press.

Haraway, Donna (2016): Das Manifest für Gefährten. Berlin: Merve Verlag.

Haraway, Donna (2018): Unruhig Bleiben. Die Verwandtschaft der Arten im Chthuluzän. Frankfurt/New York: Campus Verlag.

Ingold, Tim (2007): EARTH, SKY, WIND AND WEATHER. In: Wind, Life, Health: Anthropological and Historical Perspectives. The Journal of the Royal Anthropological Institute, Vol. 13, S. 115-125.

Jullien, Francois (2016): Von Landschaft leben oder das Ungedachte der Vernunft. Berlin: Matthes &Seitz.

Krauss, Werner (2008): Die ‚Goldene Ringelgansfeder’: Dingpolitik an der Nordseeküste. In: Kneer, G.; Schroer, M.; Schüttpelz (Hg.): Bruno Latours Kollektive, Frankfurt/M.: Suhrkamp 425-456.

Latour, Bruno (2008): Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

Latour, Bruno (2017): Kampf um Gaia. Acht Vorträge über das neue Klimaregime. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

Massumi, Brian (2002): Parables for the Virtual. Movement, Affect, Sensation. Durham/London: Duke University Press.

Slaby, J.; v. Scheve, C. (Hrsg.) (2019): Affective Societies, Key Concepts.New York: Routledge.

Seyfert, Robert (2019): Beziehungsweisen. Elemente einer relationalen Soziologie. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft.

Slaby, Jan; Mühlhoff, Rainer; Wüschner, Philipp (2016): Affektive Relationalität. Umrisse eines philosophischen Forschungsprogrammes. In: Eberlein, Undine (Hrsg.) (2016): Zwischenleiblichkeit und bewegtes Verstehen – Intercorporeity, Movement and Tacit Knowledge. Bielefeld: transcript. S. 69-108.

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